Hier findest du einen kleinen Überblick zu der Bedeutung von beschleunigten Verfahren, deren Problematik, und unseren Umgang damit. Mittlerweile hat das AG Tiergarten ihre neue Kammer für beschleunigte Verfahren wieder geschlossen (s.u.). Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es in Einzelfällen oder vor anderen Gerichten zu beschleunigten Verfahren kommt.
Das Amtsgericht Berlin hat eine neue Kammer eingerichtet nur für Klimaaktivist*innen, die beschleunigte Verfahren durchführen soll. Es wurden 5 Richterstellen geschaffen (bisher sind erst zwei davon besetzt), die dann nur für beschleunigte Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft zuständig sind. Das wird de facto nur in unseren Fällen passieren. Aktuelle Info ist, dass bereits 16 Verfahren beantragt wurden – 14 davon für Letzte Generation Menschen und 2 für Extinction Rebellion Verfahren (Stand 22.06.2023).
Es ist der Versuch der Berliner Justiz mit der Überforderung aufgrund der riesigen Menge von Verfahren der Letzten Generation Umgang zu finden.
1. Das beschleunigte Verfahren ist für Fälle gedacht, in denen alles klar ist und sehr einfach zu beurteilen, in denen kaum Beweiserhebungen nötig sind, etc. (Das ist ein schrecklicher Weg ganz viel Armutskriminalität schnell abzuurteilen). Das passt aber nicht auf unsere Fälle, wo ja besonders höhere Gerichte, so auch unsere bisher einzige Entscheidung vom Kammergericht in Berlin, betont haben, dass die Rechtsfragen schwierig sind und genau Beweis geführt und abgewogen werden muss und ein Geständnis nicht zur Verurteilung ausreicht.
2. Ein Grundpfeiler des Rechtsstaats ist das Recht auf eine:n unabhängige:n Richter:in. Dies wird besonders dadurch geschützt, dass jede:r das Recht auf den:die gesetzliche:n Richter:in hat. Das heißt die Zuständigkeiten sind vorher im Geschäftsverteilungsplan festgelegt und die Gerichtsverwaltung kann nicht für einzelne Fälle oder Fallgruppen spezifische Richter*innen zuteilen, die dann ggf. eine bestimmte Auffassung vertreten. Da sie nun eine Abteilung de facto nur für unsere Fälle schaffen, wählen sie spezifisch Richter*innen aus, die nur unsere Fälle machen. Die Gerichtsverwaltung wählt diese aus und die ist direkt an das Justizministerium/die Justizministerin weisungsgebunden. (wir erinnern uns an dieser Stelle an die furchtbare rechte neue Justizsenatorin Badenberg)...
Insgesamt wird dadurch also das Recht der Klimaaktivist:innen auf unabhängige und faire Richter*innen eingeschränkt.
Mittlerweile wurden alle beschleunigten Verfahren mit dem Tatvorwurf Nötigung in Regelverfahren verwandelt, da das Gericht anerkannt hat, dass es sich nicht um geeignete Verfahren handelt, um diese im beschleunigten Verfahren zu entscheiden.
Es gab einen Freispruch innerhalb eines beschleunigten Verfahrens mit dem Vorwurf der Sachbeschädigung.
Allerdings werden weiterhin Verfahren von der Staatsanwaltschaft beantragt - also Augen auf.
Das Amtsgericht Tiergarten hat seine Kammer für beschleunigte Verfahren wieder geschlossen, da diese sich in vielen Fällen nicht als zielführend erwiesen hätten.
Die noch offenen Verfahren sollen nun von anderen Abteilungen am AG Tiergarten übernommen werden.
Es werden sowohl noch Ladungen zu beschleunigten Verfahren vom Ende letzten Jahres als auch aus diesem Januar nach Bekanntgabe der Schließung der Kammern verschickt. Bisher war es in jedem Fall möglich durch Anruf beim Gericht die Überführung in ein Strafbefehlsverfahren zu erreichen.
Eine ausführliche Darstellung der Entwicklungen findet ihr hier: https://raz-ev.org/vorgehen-der-staatsanwaltschaft-verfassungswidrig-ag-tiergarten-lehnt-beschleunigte-verfahren-ab-februar-2024/