Es geht in diesem Text nicht darum, Euch einen vollständigen Einblick in die Tücken des Vollstreckungsrecht zu geben. Dazu bräuchte es wahrscheinlich ein ganzes Buch. Wichtig ist mir vor allem den Unterschied zwischen Vollstreckungsverfahren und Zwangsvollstreckung und zwischen Ladung zum Haftantritt und Haftbefehl deutlich zu machen.
Was passiert nach Rechtskraft der Verurteilung?
Ist die Rechtskraft des Urteils festgestellt (i.d.R. eine Woche nach der mündlichen Verhandlung, wenn keine Rechtsmittel eingelegt wurden), wird die Akte bei Gericht geschlossen und geht an die Gerichtskasse. Damit beginnt das Vollstreckungsverfahren, dass alle Maßnahmen umfasst. Es endet entweder mit der Begleichung der finanziellen Schuld oder mit der Vollstreckungsverjährung.
Vollstreckungsbehörde ist in der Regel die Staatsanwaltschaft (§ 4 StrVollstrO), und zwar die StA, die für das Gericht des ersten Rechtszuges (i.d.R. das Amtsgericht) zuständig war (§ 7 StrVollstrO). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass für die Strafvollstreckung andere Abteilungen der StA zuständig sind, als für das Strafverfahren. Bei Gesamtstrafen richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Gericht, dass die (letzte) Gesamtstrafe gebildet hat (§ 8 StrVollstrO).
In der Regel soll vor Beginn der Vollstreckung zur Zahlung innerhalb von zwei Wochen aufgefordert werden (§ 5 Abs. 2 StVollstrG), ihr bekommt dazu meist ein Schreiben namens “Kostenrechnung”. Nach § 2 StrVollstrO sind Urteile „im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege (…) mit Nachdruck und Beschleunigung zu vollstrecken.“ Auch dies ein Grund, weshalb auf die Abgabe einer Vermögensauskunft in der Regel verzichtet wird, denn diese würde die Strafvollstreckung erheblich in die Länge ziehen.
Die Gerichtsvollzieher*innen stehen sozusagen am Übergang zwischen Vollstreckung und Zwangsvollstreckung. Seine Aufgabe ist nicht nur die Sachpfändung. Nach § 802a Abs. 2 ZPO kann er/sie
Maßnahmen, die unter a) gefasst werden können, sind einfache Vollstreckungsmaßnahmen, in denen es darum geht, den Willen und die Möglichkeit des Schuldners zu fördern und zu stärken, die Schuld zu begleichen. Die Maßnahmen unter b) bis d) sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, da diese Maßnahmen davon geprägt, entgegen dem Willen des Schuldners die Begleichung der Schuld mit Zwang durchzusetzen. Die einzelnen Maßnahmen müssen aber gem. 802a Abs. 2 Satz 2 ZPO im Vollstreckungsauftrag bezeichnet werden. Das bedeutet, dass nicht der/die Gerichtsvollzieher*n entscheidet, welche Maßnahme er durchführt. Gleichzeitig ist er/sie nach § 802a Abs. 1 ZPO verpflichtet „auf eine zügige, vollständige und Kosten sparende Beitreibung von Geldforderungen“ hinzuwirken.
Mit Zwangsvollstreckung sind alle Maßnahmen gemeint, die vorgenommen werden, um den säumigen Schuldner zu pfänden, ihn zur Zahlung zu zwingen oder die Strafe durch Abarbeiten oder Haft zu erledigen. Die Zwangsvollstreckung ist also nur ein Teil des Vollstreckungsverfahrens.
Zuständig ist die Staatsanwaltschaft oder die Landesoberkasse (Zuordnung ist bundeslandspezifisch), die für den Gerichtsort der ersten Instanz zuständig ist. Bei Bildung einer Gesamtstrafe richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Gericht, dass die letzte Gesamtstrafe gebildet hat.
Die Vollstreckungsbehörde beauftragt den Gerichtsvollzieher mit dem o.g. Maßnahmen. Dieser sucht dazu den Schuldner daheim auf, um dort nach Möglichkeit Zahlungsmodalitäten auszuhandeln, Bargeld oder Sachen zu pfänden. Hat er hiermit Erfolg, geht das Geld an die Vollstreckungsbehörde und er kann die Akte schließen. Die Regel ist allerdings, jedenfalls in unseren Kreisen, dass bei den Schuldner*innen nichts zu holen ist. Dann wandert die Vollstreckungsakte wieder zurück zur Vollstreckungsbehörde.
Die Gläubigerin kann nun eine Vermögensauskunft (früher: “Offenbarungseid”) verlangen. Hat die Schuldnerin allerdings in den letzten drei Jahren eine Vermögensauskunft abgegeben, darf keine weitere Vermögensauskunft verlangt werden. Die Gläubigerin kann sich dann in die Liste der Gläubiger eintragen, erhält aber erst dann Geld aus Pfändungen, wenn alle Gläubigerinnen vor ihr befriedigt wurden. Sind die drei Jahre abgelaufen, können Gläubigerinnen eine erneute Vermögensauskunft beantragen. Sie werden dann nach der Reihenfolge der Antragseingänge aus Pfändungen befriedigt.
Geht es um die Vollstreckung einer Geldstrafe, unterbleibt dieser Schritt jedoch in der Regel. Die Vermögensauskunft ist (erst mal für die Behörde) mit weiteren Kosten verbunden und bedeutet weitere Zeitverzögerung. Der Erfolg (Zahlung der Geldstrafe) ist ungewiss und im Falle einer Verweigerung der Vermögensauskunft müsste konsequenterweise eine Erzwingungshaft beantragt und vollzogen werden, die erst recht mit Zeitverzug und hohen Kosten verbunden ist, wenn der Schuldner beharrlich bleibt. Danach müsste dann auch noch die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden. Dabei kann es aber Ausnahmen geben:
Die Regel ist aber, wie schon gesagt, dass die Vermögensauskunft nicht verlangt wird, sondern gleich die Ladung zum Haftantritt erfolgt. Häufig wird es so sein, dass die zuständige StA in einem anderen Bundesland liegt, wie das zuständige Gefängnis, welches nach dem Wohnort der verurteilten Person bestimmt wird. Dafür gibt es zwischen den einzelnen Bundeslänndern Vereinbarung für die Abläufe. Für alle anderen Fälle regelt § 9 StVollstrO, dass die StA des Gerichts die StA des Gefängnisses um Vollzugshilfe ersucht. Letztere managt dann also die „Buchung“ der Zelle und Erstere die Ladung zum Haftantritt.
Diese Ladung zum Haftantritt ist aber kein Haftbefehl, denn er führt nicht unmittelbar zur Verhaftung der Person. Er ist lediglich die Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist die Haft „freiwillig“ anzutreten. Ist die betroffene Person nach Ablauf des genannten Tages nicht in der Vollzugsanstalt erschienen, teilt die Vollzugsanstalt dieses der zuständigen Staatsanwaltschaft mit. Die Staatsanwaltschaft muss dann einen Haftbefehl bei dem zuständigen Gericht beantragen. Das Gericht beschließt den Haftbefehl und schickt diesen an die Staatsanwaltschaft. Diese beauftragt die für den Wohnort der Person zuständige Polizeidienststelle mit der Vollstreckung des Haftbefehls.
Bleibt dieser Vollstreckungsversuch erfolglos (z.B. weil die Beamten die Person weder am Wohnsitz noch am Arbeitsplatz antrifft), kann die Person zur Fahndung ausgeschrieben werden.
Ein wichtiger Tipp am Anfang: Wer möglicherweise die Geldstrafe absitzen möchte, sollte auch die Gerichtsgebühren nicht vor der Haft überweisen. Rechtlich hat die Geldstrafe immer Vorrang. Es nutzt also auch nichts, als Verwendungszweck ausdrücklich „Gerichtskosten“ anzugeben, da das eingehende Geld immer zuerst zur Begleichung der Geldstrafe verrechnet wird!
Wenn die Geldstrafe durch Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt ist, besteht die Pflicht zur Zahlung der Gerichtskosten fort. Es ist aber trotzdem davon abzuraten, diese nach der Entlassung einfach zu zahlen. In den allermeisten Fällen verzichtet die Vollstreckungsbehörde – willentlich oder unwillentlich - auf das Eintrieben, d.h. es kommt meistens noch nicht mal eine erneute Kostenrechnung dafür. Das kann daran liegen, dass die Vollstreckungsbehörde davon ausgeht, dass bei einem entlassenen Häftling ohnehin nichts zu holen sein wird. Das kann aber auch daran liegen, dass die Vollstreckungsbehörde mit Vollstreckungsverfahren so ausgelastet ist, dass Akten, bei denen wenigstens die Geldstrafe in irgendeiner Form vollstreckt ist, nicht weiter bearbeitet werden. Sollte doch noch eine erneute Kostenrechnung kommen, kann eine Zahlung durch Unpfändbarkeit vermieden werden. Liegt diese nicht vor, kann ganz normal das Konto gepfändet werden.
Die Vollstreckung eines Bußgeldes weist vor allem eine Besonderheit auf: Zahlt der/die Beschuldigte nicht und kann die/der Gerichtsvollzieher*in nichts pfändet, kann versucht werden, die Zahlung mit Zahlung mit Erzwingungshaft zu erzwingen! Die Schuldnerin kann die Erzwingungshaft vorzeitig abbrechen, indem sie das (vollständige) Bußgeld bezahlt oder bezahlen lässt.
Auch für die Betreuung in Erzwingungshaft ist die Gefängnis-AG zuständig. Hierzu muss die Gläubigerin beim zuständigen Gericht eine Erzwingungshaft beantragen. Das Gericht prüft dann, ob die Voraussetzungen gegeben sind (insbes. die Vollstreckbarkeit) und muss die Anzahl der abzusitzenden Tage festlegen. Diese richtet sich nach der Höhe des Bußgeldes, wobei der Ermessensspielraum recht groß ist. Üblicherweise werden pro 100 € Bußgeld zwischen 1 und 4 Tage festgesetzt. Die Festsetzung ist in einem förmlichen Beschluss nieder zu legen, der sowohl der Gläubigerin als auch der Schuldnerin zugestellt werden muss.
Die Gläubigerin muss dann entsprechend des Vollstreckungsplan des jeweiligen Bundeslandes der Schuldnerin die Vollzugsanstalt aussuchen und dort eine Zelle reservieren. Ist dies geklärt, kann sie die Ladung zum Haftantritt verschicken. Sind die vom Gericht festgesetzten Tage abgesessen, muss die Schuldnerin entlassen werden. Damit ist das Bußgeld aber (anders als bei der Ersatzfreiheitsstrafe für Geldstrafen) nicht erledigt. Die Schuld, und daher auch die Zahlungspflicht bleibt bestehen. Der Staat hat aber sein schärfstes Mittel, die Haft, aufgebraucht. Eine erneute Erzwingungshaft kann frühestens nach drei Jahren erfolgen, und auch dann nur, wenn die Vollstreckungsbehörde Anhaltspunkte dafür hat, dass sich die Einkommens- oder Vermögenslage des Schuldners in der Zwischenzeit erheblich verbessert hat. Meist aber wandert die Vollstreckungsakte ins Magazin und verstaubt dort.
Nicht immer ist die Erzwingungshaft zulässig. Gemäß § 96 Abs. 2 Nr. 2 OWiG ist die Erzwingungshaft nur zulässig, wenn der/die Betroffene die „Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat.“ Für die Zahlungsunfähigkeit reicht nach der Rechtsprechung der Nachweis, unterhalb der Pfändungsgrenze zu leben nicht aus. Vielmehr muss zusätzlich dargelegt werden, dass auch eine Ratenzahlung nicht möglich ist, ohne die Fixkosten (Miete, Strom etc.) und die eigene Ernährung zu finanzieren. Wann diese Voraussetzung im Einzelfall erfüllt ist, entscheidet letztlich das Gericht. Die Zahlungsunfähigkeit liegt allerdings auch vor, wenn mehrere Bußgelder vollstreckt werden und die Ratenzahlungen sich über Jahre erstrecken würden. Dabei ist dann zu berücksichtigen, dass die Ratenzahlungen für die einzelnen Bußgelder nacheinander erfolgen müssen, wenn den Betroffenen ansonsten nicht mehr das Allernotwendigste zum Leben bleiben würde. Die Betroffenen müssen im Vollstreckungsverfahren ihre Zahlungsunfähigkeit nachweisen, und zwar als Stellungnahme zum Antrag auf Erzwingungshaft oder notfalls in einer sofortigen Beschwerde gegen die Anordnung der Erzwingungshaft durch das Gericht.
Erzwingungshaft (auch Beugehaft genannt) gibt es auch bei Verweigerung der Vermögensauskunft oder der unberechtigten Verweigerung einer Zeugenaussage vor Gericht. In diesem Fall wird keine Dauer festgelegt. Ihr kommt erst raus, wenn ihr bereit seid, die Zeugenaussage zu machen oder die Vermögensauskunft zu unterschreiben – oder spätestens nach 6 Monaten. Da ist die Maximaldauer. Dann müsst ihr auch dann freigelassen werden, wenn ihr Euch weiterhin weigert.