Im Verlauf eines Verfahrens kann es an unterschiedlichen Punkten zu Einstellungen oder Angeboten von Einstellung vonseiten des Gerichts oder auch der Staatsanwaltschaft kommen. Außerdem ist es möglich, selbst als Verteidigung oder als angeklagte Person eine Einstellung begründet vorzuschlagen. Auf dieser Seite findest du hierfür Informationen zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, der Bedeutung der einzelnen Paragraphen, sowie auch zuallererst eine strategische Einschätzung zu der Relevanz von Einstellungen.
Wenn du konkrete Fragen zu deiner persönlichen Situation hast, melde dich am besten per Mail bei [email protected]. Wenn du bereits eine Ansprechperson von RAZ aus hast, die z.B. die Vorbereitungen zu deinem Gerichtstermin betreut, kannst du dich mit Fragen hierzu auch direkt bei ihr melden.
Natürlich liegt die Entscheidung, ob Einstellungen für dich sinnvoll sind etc. letztlich komplett bei dir und RAZ unterstützt dich im Umgang damit. Trotzdem möchten wir einmal strategische Abwägungen teilen, die für oder auch gegen Einstellungen in Verfahren von Klimaaktivist*innen sprechen.
Wir empfehlen Einstellungen nicht generell, da uns klare Entscheidungen von Gerichten deutlich weiter bringen in unserer Konfrontation der Justiz mit der Herausforderung der Klimakrise und dem Umgang mit friedlichen Protesten in diesem Kontext. Aber im Einzelfall können sie sinnvoll sein.
Zur Erinnerung: Wir sind davon überzeugt, dass ziviler Widerstand das effektivste und aktuell geeignetste Mittel ist, gesellschaftlichen Wandel in der Klimakrise anzustoßen. Deshalb ist unsere Aufgabe auch, dass wir Protesträume verteidigen während wir das Justizsystem mit der Frage nach Gerechtigkeit, Legitimität von friedlichen Protesten, sowie der Herausforderung der Klimakrise konfrontieren. Dies geht am effektivsten in Gerichtssälen und indem wir Druck auf die Menschen ausüben, die dort Entscheidungen treffen müssen - also die Richter:innen. Dadurch kann ein Drama zwischen Politik und Justiz entstehen und durch unsere Unnachgiebigkeit verstärkt werden. Gleichzeitig müssen wir als Aktivist:innen handlungsfähig bleiben.
Zuallererst: Wenn dir im Laufe eines Gerichtsprozesses das Angebot einer Einstellung von Richter:in oder Staatsanwaltschaft gemacht wird, kannst du dir ruhig ordentlich Zeit nehmen, um darüber nachzudenken. Hier ist eine Pause wichtig, um über das Angebot zu beraten. Eventuell möchtest du hier auch kurz eine Person von RAZ anrufen. Außerdem musst du nicht das Angebot einfach dankbar annehmen und kannst Forderungen/Ansprüche stellen, indem du z.B. über Höhe der Geldauflage oder die Anzahl der Sozialstunden etc. diskutierst.
Auch wenn du anwaltlich vertreten bist, nimm dir hier ausführlich Zeit, um zu verstehen, welche Konsequenzen die einzelnen Angebote haben.
Einem Einstellungsangebot zuzustimmen kann sich wie Aufgeben und Akzeptieren anfühlen - so als hättest du etwas tatsächlich falsch gemacht und würdest nun noch “gut davonkommen”.
Es gibt viele Vor- und Nachteile von solchen Einstellungen. Als mögliche Nachteile zu Bedenken möchten wir hier folgende Punkte in den Raum stellen:
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/153.html
Folgen:
Strategiehinweis: §153 StPO ist ein Freispruch light. Oft werden Richter*innen und Staatsanwält*innen dem nur zustimmen, wenn sie euch auch freisprechen würden. Es kann auch sein, dass Richter*innen Angst haben freizusprechen und dafür in der Öffentlichkeit oder von Kolleg*innen “verurteilt” zu werden. In solchen Fällen ist die Einstellung ein Ausweg.
Achte hier besonders auf die Kosten! Wenn dir die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wird es auch noch teurer für dich, als ein Freispruch (da muss immer die Staatskasse bezahlen). Beantrage also zumindest, dass die Staatskasse die Kosten trägt, wenn du nicht das Risiko eingehen willst, dann vielleicht doch verurteilt zu werden, wenn du der Einstellung widersprichst.
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/153a.html
Folgen:
Strategiehinweis: Da du einer Auflage zustimmst, kann sich eine Einstellung nach §153a für dich anfühlen, als hättest du zugestimmt Schuld zu tragen und hoffst noch möglichst gut davonzukommen. Manchmal ist es auch gar nicht “billiger” als eine Geldstrafe. Überlege dir also gut, wie du dich damit fühlen würdest, zumindest formell eine Schuld einzugestehen. Grundsätzlich raten wir von dieser Art der Einstellung eher ab. Wenn es für dich und z.B. deinen Beruf aber besonders wichtig ist, keine Eintragung ins Führungszeugnis zu bekommen, kann das hier der springende Punkt in der Abwägung sein.
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/154.html
Folgen:
Strategiehinweis: Mit dieser Einstellung sparen sich Gericht und Staatsanwaltschaft Arbeit. Es kann aber auch dir Arbeit sparen, deshalb kann es Sinn ergeben, diese Einstellung im Vorhinein anzuregen. Hier ist allerdings deine Zustimmung nicht nötig, sodass du Gerichte nicht davon abhalten kannst so einzustellen, wenn du eher Arbeit verursachen willst. Von daher ist deine Möglichkeit der Einflussnahme hier begrenzt.
Du kannst auch selbst eine Einstellung nach § 154 StPO anregen. Hier findest du eine beispielhafte Vorlage, wie das aussehen könnte.
Anregung einer Einstellung des Bußgeldverfahrens nach § 154 StPO mit Blick auf laufende Strafverfahren.
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/154a.html
Folgen:
Strategiehinweis: Das entscheiden Richter*innen normalerweise einfach während der Verhandlung, wenn irgendetwas schwierig nachzuweisen ist, oder es schon längst Zeit für das Mittagessen ist… Wenn es etwas anderes gibt, für das sie euch verurteilen können, sind sie oft damit zufrieden und lassen den Rest dann einfach bleiben.
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/170.html
Strategiehinweis: Nice, weil es uns Arbeit und Repressionen spart. Wir haben hier außerdem keinen Einfluss drauf…