Auf dieser Seite findest du zuerst wichtige Infos für Protestvorbereitung, dann Infos zur Gewahrsamnahme, Nachbereitung deines Protestes und allem, was danach kommt. Und ganz unten sind dann ausführliche Infos zu weiteren Fragen, die relevant sein können für dich oder deine Eltern, zu finden.
Wenn du jünger als 18 Jahre bist, giltst du als minderjährig. Falls jemand anderes als deine Eltern das Sorgerecht für dich hat, gilt alles, was hier steht, für diese Person. Wenn du zwischen 18 und 21 Jahre alt bist gilst du als Heranwachsend und nur der Punkt Gerichtsverfahren ist für dich interessant, wenn entschieden wird, dass dein Verfahren nach Jugendstrafrecht geführt wird. Den Rest kannst du dann ignorieren und dich im normalen Wiki umschauen :)
Auch für minderjährige Menschen ist der Rest vom Wiki natürlich interessantl
Bei weiteren Fragen meldet euch immer per E-Mail bei [email protected]!
Wenn du willst, können wir dich auch mit anderen minderjährigen Aktivist*innen zum Austausch vernetzen. Melde dich auch dafür gerne per Mail :)
Es ist sinnvoll, bereits vor dem Protest zu organisieren, dass dich gegebenenfalls andere Leute auch wieder von der Polizeistation oder dem Jugendamt abholen können und die Polizei dich nicht zu deinen Eltern zurück bringt, weil du ohne sie angetroffen wirst. Denn wenn du minderjährig bist, haben deine Eltern das Recht, deinen Aufenthaltsort festzulegen.
Wenn die Polizei davon ausgeht, dass du ohne das Wissen deiner Eltern unterwegs bist, können sie dich in Gewahrsam nehmen, um dich zu deinen Eltern oder dem Jugendamt zu bringen (sogenannter Obhutsgewahrsam gem. §32 Abs. 2 HSOG). Wahrscheinlich probieren sie es zuerst bei deinen Eltern. Wenn du dich mit deinen Eltern einigermaßen gut du verstehst, bitte sie am besten dir ein Schreiben etwa wie folgt aufzusetzen und zu unterschreiben:
Einverständnis mit eigenständiger Rückkehr
„Hiermit erkläre ich mich als sorgeberechtigte:r gesetzliche:r Vertreter:in unseres minderjährigen Sohnes / unserer minderjährigen Tochter XY, geb. XX.XX.XX, dass ich einverstanden bin, dass er/sie nach der Freilassung aus einer etwaigen polizeilichen Ingewahrsamnahme alleine nach Hause gehen oder fahren darf.
Unterschrift(en) XY“
Bitte schreibt kein konkretes Protestdatum in die Erlaubnis.
Falls die Polizei vor Ort dich trotzdem nicht gehen lassen sollte, ruf direkt den EA deiner Bewegung an. Dieser organisiert dir ein:e Rechtsanwält:in und holt dich da raus :)
Kinder (unter 14 Jahren) und Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) dürfen in Gewahrsam genommen werden, wenn sie sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben (§32 Abs.2), um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen. In der Praxis heißt das meistens, dass die Polizei dich trotzdem erst mal mitnimmt. Irgendwann wird dann gefragt, wer noch minderjährig ist. Wenn du deine Personalien angibst, muss die Polizei versuchen deine Erziehungsberechtigen anzurufen, damit sie dich abholen. Ob du ihnen die Telefonnummer gibst und ob du darauf drängst, dass sie tatsächlich benachrichtigt werden (was die Polizei oft doch nicht macht), ist natürlich deine Entscheidung.
Allgemein solltest du natürlich auch die anderen Tipps für die Gewahrsamnahme berücksichtigen.
Auch als minderjährige Person hast du ein Recht auf einen Anruf - du kannst also auch den EA anrufen und sagen, wo du dich befindest. Dann kann dich, wenn du vorher einen Abholschein (siehe vorheriger Abschnitt) von deinen Eltern hinterlassen hast, auch die bevollmächtigte Person mit diesem Zettel von der Polizeiwache abholen.
Es ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich, ob Minderjährige einfach gehen dürfen nachdem die Polizei mit den Eltern telefoniert hat. In Freiburg werden Minderjährige z.B. einfach gehen gelassen nach dem Anruf, in Berlin hingegen müssen teilweise die Eltern vorbeikommen.
Es kann sein, dass die Polizei dich in eine Jugendeinrichtung bringt, wenn dich niemensch abholen kann. In einer solchen Einrichtung darfst du nicht eingesperrt werden. Du kannst also von dort einfach gehen, sobald die Polizei weg ist.
In der Praxis gab es sehr unterschiedliche Erfahrungen, wie das mit dem einfach weggehen war: Teilweise einfach, aber manchmal wurden z.B. persönliche Sachen weggeschlossen oder das Abhauen ging erst am nächsten Morgen.
Versuch auf jeden Fall dem EA die Adresse oder die Stadt der Einrichtung mitzuteilen, damit du eingesammelt werden kannst.
Es kann geschehen, dass dir die Polizei eine Straftat vorwirft. Das heißt auch, dass es sein kann, dass die Polizei dich verhören will. Sie muss dich davor belehren, dass du die Aussage verweigern darfst (was du auch tun solltest). Da die Polizei sich oft nicht an Regeln hält, verlass dich nicht drauf, dass sie dich belehrt. Bei einer Vernehmung haben deine Eltern als gesetzliche Vertreter ein Anwesenheitsrecht bei polizeilichen Vernehmungen. Wenn du das möchtest, kannst du also darauf bestehen, dass du mit ihnen vorher telefonieren darfst. Unter-14-jährige dürfen keinem Verhör unterzogen werden.
Auch Jugendliche können bei schwereren Vorwürfen und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen werden und in einem Jugendknast landen. Dies geht allerdings nicht bei Kindern (aufgrund der Schuldunfähigkeit des Kindes § 20StPO, außerdem gut zu lesen hierfür ist § 126a StPO einstweilige Unterbringung) - also wenn du jünger bist als 14 Jahre.
Vorladungen zur Vernehmung bei der Polizei kommen bei Minderjährigen auch an die Eltern.
Die Eltern haben ein Anwesenheitsrecht bei polizeilichen Vernehmungen und werden deshalb von solchen Terminen informiert. Sie haben auch das Recht, Anträge im Verfahren zu stellen (§ 67 JGG), können also deine Strategien mitbestimmen.
Es ist wichtig, zu (er)klären, wie du in einem politischen Strafverfahren vorgehen willst und warum es sinnvoll und richtig ist, die Aussage zu verweigern.
Setze dich und deine Eltern gerne in Verbindung mit RAZ ([email protected]), um gemeinsam über die Strategie zu reden.
Für ein Strafverfahren gibt es einige Besonderheiten für Jugendliche (unter 18 Jahren) und Heranwachsende (18-21 Jahre). Jugendliche unter 14 Jahren bekommen kein Strafverfahren, da sie noch nicht strafmündig sind.
Wenn du zwischen 18 und 21 Jahre alt bist, muss das Gericht gem. § 105 JGG entscheiden, ob es nach Jugend- oder nach Erwachsenenstrafrecht vorgeht. Theoretisch hängt das davon ab, für wie reif euch das Gericht hält und ob das Gericht die vorgeworfene Straftat als jugendtypisch erachtet, praktisch wird meist erst mal Jugendrecht angewandt. Jugendrecht bedeutet zum einen, dass das Verfahren an deinem Wohnort und nicht am Tatort geführt wird. Zum anderen wird in der Regel bei Jugendlichen nicht öffentlich verhandelt. Bei Heranwachsenden ist die Verhandlung in der Regel öffentlich, es kann aber die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Das Gericht hat zudem einen Erziehungsauftrag. Das heißt, dass neben Moralpredigten auch andere Strafen verhängt werden können, z.B. das Schreiben eines Aufsatzes, die Vorgabe bestimmte Orte nicht mehr aufzusuchen, Sozialstunden abzuleisten, ein Anti-Gewalt-Training zu besuchen oder ähnliches. Jugendliche sind zwar ab 14 strafmündig und verurteilbar, aber nicht voll geschäftsfähig. Du kannst selbst keine Verträge abschließen. Die Beauftragung von Anwältis läuft deshalb über deine Erziehungsberechtigten.
Gerichtskosten müssen bei Anwendung von Jugendstrafrecht oft nicht von den Angeklagten getroffen werden, um diese nicht übermäßig zu belasten. Wenn du ein regelmäßiges Einkommen hast, kann es aber trotzdem dazu kommen.
Geldstrafen sind bei Jugendlichen erst möglich, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind und aufgrund ihrer Reife nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Geldauflagen sind auch sehr selten. Meist gibt es erstmal eine Ermahnung und / oder Sozialstunden oder sonstige Auflagen zur Teilnahme an erzieherischen Trainingskursen im Rahmen von § 9 JGG - Erziehungsmaßregeln. Erziehungsmaßregeln sind 1. die Erteilung von Weisungen, 2. die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 in Anspruch zu nehmen. Gefolgt von § 10 JGG – Weisungen:
(1) 1 Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. 2 Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. 3 Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,
1. Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2. bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3. eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4. Arbeitsleistungen zu erbringen,
5. sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9. an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.
Bisher wurden bei aktivistischen Verfahren oft Stunden gemeinnütziger Arbeit vom Gericht für die angeklagte Person beschlossen.
Die Jugendgerichtshilfe ist noch eine Besonderheit, die aus dem Erziehungsauftrag resultiert: Sie schaltet sich ein, sobald ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft liegt und versucht dann Kontakt zu dir aufzunehmen. Sie soll das Gericht dabei unterstützen und ihm helfen zu beurteilen, welche Strafe bei dir angemessen wäre. Die Jugendgerichtshilfe gibt dem Gericht über alle Gespräche mit dir Auskunft. Du bist nicht verpflichtet mit ihr zu sprechen.
Bis jetzt haben wir hier gute Erfahrungen gemacht. Du könntest dich aber theoretisch schon selbst belasten. Deshalb achte darauf nicht über rechtlich relevante Details deines Protests zu reden
Am besten redest du viel über deine Motivation. Warum gehst du in den zivilen Widerstand?
Außerdem hilft es, wenn du erzählst, warum du noch von deinen Eltern abhängig / unselbstständig bist. Zum Beispiel, wenn du von deinen Eltern Unterhalt bekommst, noch bei ihnen wohnst, noch nicht arbeitest, sondern studierst / zur Schule gehst...
Das alles spricht dafür dich nach Jugendstrafrecht zu verhandeln und das ist weniger streng. (eher Erziehung als Bestrafung).
Hier greift § 60 BZRG:
Eine Jugendstrafe kann auch eine Freiheitsstrafe sein. Allerdings sind diese bei Aktionen des zivilen Ungehorsams als heranwachsende Person sehr, sehr unwahrscheinlich. Diese kommen nämlich erst ins Spiel beim Vorliegen sog. “schädlicher Neigungen” oder gravierenden Gewalttaten.
Straftaten Jugendlicher kommen NIE ins Führungszeugnis. Sie werden nur alle, auch Einstellungen, im Erziehungsregister vermerkt. Darauf hat nur die Justiz Zugriff. Diese Daten sind sehr streng geschützt, da Jugendlichen das spätere Leben nicht wegen Jugendsünden verbaut werden soll. Und auch bei Erwachsenen stehen im Führungszeugnis erstmal nur bestimmte gravierende Taten und Strafen ab 91 Tagessätzen.
Nein. Im Strafrecht trifft die Strafe immer die handelnde Person. Es sei denn, es liegt eine vorsätzliche Anstiftung oder Beihilfe vor.
Dies ist tendenziell etwas unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland. Allgemein hat die Polizei keine Lust, Eltern die Betreuungsarbeit abzunehmen. Grundsätzlich werden Jugendliche in den meisten Städten einfach alleine heimgeschickt, wenn sie nicht selbst- oder fremdgefährdend agieren und die Eltern sie nicht abholen können oder wollen. Wenn Eltern aber ankündigen, das Kind daheim nicht reinzulassen und von diesem nichts mehr wissen zu wollen, dann muss das Jugendamt für eine sichere Unterkunft sorgen und wird informiert.
Von jedem Jugendgerichtsverfahren wird die Jugendhilfe im Strafverfahren informiert, die im Jugendamt sitzt. Wenn eine Kindeswohlgefährdung angenommen wird, wird das Jugendamt aktiv. Aber auch dann beginnt alles erstmal mit einem Gespräch mit den Eltern und Auslotung eines Unterstützungsbedarfs. Und in der Regel passiert dann auch nichts mehr, wenn keine Kindeswohlgefährdung festgestellt werden kann.
Kinder und Jugendliche dürfen außerhalb von strafprozessualen Maßnahmen in der Regel nicht in einem Polizeigewahrsam untergebracht werden, insbesondere nicht über Nacht. Können sie nicht sofort einer erziehungsberechtigten Person oder dem Jugendamt zugeführt werden, so sind sie außerhalb eines Polizeigewahrsams zu beaufsichtigen. Sie sind, wenn sie nicht dem Jugendamt überstellt werden, in anderen geeigneten Räumen unter polizeiliche Aufsicht zu stellen.
Lehrer:innen haben keinen Einfluss darauf, ob Schüler:innen zur Schule kommen, oder nicht, und können dafür nicht belangt werden. Dafür sind die Eltern verantwortlich. Nur bei aktiver Aufforderung und Förderung, nicht zur Schule zu kommen, kann dies disziplinarrechtliche Folgen haben.
Schulrecht ist im übrigen Ländersache. Schule schwänzen ist mindestens eine Ordnungswidrigkeit, in manchen Ländern auch eine Straftat. Hamburg gehört wohl dazu: https://www.bussgeld-info.de/schulverweigerung-bussgeld/
Zudem kann die Schule mit Nachsitzen, etc. reagieren und Fehlzeiten im Zeugnis vermerken.
Grundsätzlich kann bei jedem Verstoß gegen die Schulpflicht schuldisziplinarisch reagiert werden. Für einen Schulausschluss bedarf es allerdings in der Regel in allen Bundesländern einer Fremdgefährdung. Dafür genügt das Schule schwänzen nicht. Die Regel wird wohl Nachsitzen sein.
Ja, das hätte, wenn es rauskäme, für die Lehrperson sicher Konsequenzen - vor allem beamtendisziplinarrechtlich.
Grundsätzlich ist es möglich, gegen Minderjährige (erst über 14-Jährige) auch zivilrechtliche Verfahren zu führen und letztlich auch zu vollstrecken. In der Regel werden Minderjährige als prozessunfähig angesehen. Das heißt, dass sie durch ihre Eltern vertreten werden müssen. Auch mit deren Erlaubnis dürfen sich Minderjährige nicht selbst vertreten. Der zivilrechtliche Anspruch richtet sich aber trotzdem allein gegen die:den minderjährige: Aktivist:in und nicht gegen die Eltern. Hierzu gibt es allerdings zwei Ausnahmen. Zivilrechtlicher Anspruch besteht gegen die Eltern, wenn:
Wenn einer dieser Punkte bejaht werden kann, was jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängt, dann richtet sich ein zivilrechtlicher Anspruch und ggfs. die Klage gegen den Minderjährigen / die Minderjährige und zudem auch seine / ihre Eltern.
Ein rechtskräftiges Urteil und andere Vollstreckungstitel sind 30 Jahre lang vollstreckbar. Das heißt, auch wenn man bei dir jetzt nichts pfänden kann, kann man es auch bis 30 Jahre später noch versuchen und zwangsvollstrecken.
Zu weiteren Fragen zur Vollstreckung von solchen Urteilen melde dich am besten bei RAZ!