Wir hatten vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg mit einer Klage gegen einen Berliner Gebührenbescheid. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (die Staatsanwaltschaft hat Rechtsmittel eingelegt), ist das erstmal eine gute Sache. Es ergeben sich daraus aber auch ein paar Neuerungen und Dinge, die es zu beachten gilt.
Die Rechtsgrundlage, auf die sich bislang die Berliner Gebührenbescheide stützten ist:
- a) § 6 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge GebG
- b) § 1 der Gebührenordnung für die Nutzung polizeilicher Einrichtungen PolBenGebO und Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 1 der PolBenGebO)
- c) § 15 Abs. 2 iVm § 14 und § 36 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG Berlin)
- (Ihr findet diese auf der letzten Seite eures Gebührenbescheids)
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts besagt nun, dass diese keine geeigneten Rechtsgrundlagen für unsere Gebührenbescheide darstellen.
Kursiv findet ihr die Zusammenfassung der Begründungen des Beschlusses.
- a) + b) §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) iVm Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen (PolBenGebO)
Keine Ersatzvornahme iSd § 9 Abs. 1 lit. a), § 10 Verwaltungvollstreckungsgesetz (VwVG) iVm § 8 I des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung (VwVfG Bln)
- c) § 15 ASOG
Lösen keine unmittelbare Ausführung iSd § 15 ASOG
- Auffangtatbestand § 8 Abs. 1 Satz 2 GebBtrG
Nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 GebBtrH unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 2 bis 6 GebBtrG aufgestellten Grundsätze bestimmt.
Insbesondere nicht unter Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungsaufwandes (vgl § 80 Abs. 2 GebBtrG).
Austausch der Ermächtigungsgrundlage wäre wegen Ermessensausfall auch rechtswidrig.
- Ihr habt bereits einen ablehnenden Widerspruchsbescheid bekommen und daraufhin Klage eingereicht:
Sobald sich das Verwaltungsgericht Berlin bei euch meldet, bezieht euch auf den Beschluss VG 1 L 363/23 und erbittet Erledigung, da die herangezogene Rechtsgrundlage nicht geeignet ist.
Dies könnt ihr natürlich auch proaktiv in einem in einem Schreiben an das Verwaltungsgericht Berlin tun.
Wichtig ist in jedem Fall:
Zieht nicht die Klage zurück, denn dann müsst ihr die Kosten tragen.
(hierzu kann es auch sein, dass ihr einen Brief vom VG Berlin bekommt, in dem sie euch bitten zur Erledigung Stellung zu nehmen. Auch hier solltet ihr auf keinen Fall schreiben, dass ihr die Klage zurückzieht, weil ihr dann die Kosten der Klage tragen müsst. Schreibt hier auch: "Ich erkläre die Klage für erledigt."
- Ihr habt Widerspruch eingereicht und noch keinen ablehnenden Widerspruchsbescheid erhalten:
Wartet auf den ablehnenden Widerspruchsbescheid und erhebt Klage. Bezieht euch in der Begründung auf VG 1 L 363/23, welcher darlegt, dass die herangezogene Rechtsgrundlage nicht geeignet ist.
- Ihr bekommt einen neuen Gebührenbescheid, der auf den oben genannten alten Rechtsgrundlagen fußt:
a) § 6 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge GebG
b) § 1 der Gebührenordnung für die Nutzung polizeilicher Einrichtungen PolBenGebO und Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 1 der PolBenGebO)
c) § 15 Abs. 2 iVm § 14 und § 36 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG Berlin)
Ausführliche Informationen zu diesem Fall findet ihr auch auf der Unterseite für Gebührenbescheide aus Berlin.
Legt mit Hilfe der Vorlage für Berlin Widerspruch ein und bezieht euch in der Begründung auf VG 1 L 363/23, welcher darlegt, dass die herangezogene Rechtsgrundlage nicht geeignet ist. Es liegt in eurem eigenen Ermessen, ob ihr zahlen wollt. Wenn ihr keine Mahngebühren riskieren wollt, zahlt besser zunächst.
Die Vorlage des Widerspruchs für Berlin enthält zwar einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Bis über diesen entschieden wird, können aber bereits Mahngebühren angefallen sein. Die Polizei Berlin hat die Vereinbarung, dass die Gebühren bis zu einer Gerichtsentscheidung nicht gezahlt werden müssen, vor einigen Monaten aufgekündigt. Es ist auch nach dem Beschluss des VG keinesfalls sicher, dass sie von ihrer Linie abweicht. Sprich es ist gut möglich, dass die Anträge auf Aussetzung abgelehnt werden.
Zumindest hat es aber schon funktioniert eine laufende Pfändung und laufende Mahnverfahren mit Verweis auf den (noch nicht rechtskräftigen) Beschluss des VG Berlin auszusetzen.
- Ihr bekommt einen neuen Gebührenbescheid, der auf einer anderen als den oben genannten Rechtsgrundlagen fußt:
Hier solltet ihr zunächst zahlen (außer ihr seid pfändungsbereit).
Macht uns in eurer Mail an [email protected] bitte auf die abweichende Rechtsgrundlage aufmerksam.
Wir rechnen damit, dass die Polizei in Zukunft
- entweder den Auffangtatbestand § 8 Abs. 1 Satz 2 GebBtrG zusammen mit der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung anwenden wird
- oder einen eigens für unsere Fälle neu geschaffenen Gebührentatbestand.
Es ist daher wichtig für uns als Legal Team schnellstmöglich mitzubekommen, wenn sich die Praxis der Polizei Berlin hinsichtlich der Gebührenbescheide ändert.
- Zahlt bitte in allen oben genannten Stadien auch die Verfahrenskosten von 114,00 €, wenn ihr dazu aufgefordert werdet (außer ihr seid pfändungsbereit).
- Es gibt leider auch Fälle, in denen euch der Beschluss nicht mehr zugute kommt:
Ihr habt verpasst binnen eines Monats Widerspruch gegen den Gebührenbescheid einzulegen.
Ihr habt nach einem ablehnenden Widerspruchsbescheid verpasst, innerhalb eines Monats Klage zu erheben.
Dann bekommt ihr euere bezahlten Gebühren leider nicht zurück.
Die Polizei Berlin hat Rechtsmittel eingelegt gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die Gebührenbescheide gegen uns rechtswidrig waren.
Das bedeutet, dass uns kein Geld zurückbezahlt wird bis nicht endgültig und rechtskräftig in unserem Sinne entschieden wurde.
Wir warten jetzt also auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin und hoffen, dass dort unser Win vor dem VG aufrechterhalten wird.